Wie sagte Immanuel Kant: Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie. – Danach kam Hegel und sagte: Wenn die Wirklichkeit nicht mit meiner Theorie übereinstimmt, um so schlimmer für die Wirklichkeit. – Der Mann wußte sein eigenes Denken noch zu schätzen. Damit sieht es heutzutage flächendeckend etwas leichter bekleidet aus. Ein Dilemma? Mal sehen.
Resilienz denken. 1te Annäherung.
Was könnte unternehmerischer Erfolg in Zukunft sein? Wenn KundenNutzen und WeltZiele im Angebot kombiniert werden.
Ich möchte das Buch von Karsten Drath Resilienz in der Unternehmensführung für meine erste Annäherung benutzen. – „Das Konzept der Resilienz ist wahrscheinlich die Schlüsselkompetenz für Führungskräfte in der heutigen Zeit.“ So Dr.Stefan Seiss in einem der vielen hochkarätigen Vorwörter des Buches. Er macht auch deutlich, dass Karsten Drath seit zwei Jahren sein Coach ist und das Executive Resilience ein ganzheitlich-persönlicher Arbeitsansatz ist, den er wohl selbst durchlaufen hat. ( Das hochkarätige Führungspersönlichkeiten und Entscheider sich als „Coaching-Bedürftig“ outen, lese ich sehr selten – aber es ist für mich als Coach und Mediator wohltuend zu lesen, weil es auf höheren Etagen aus vielfältigsten Gründen dringend nötig ist, sich einen geeigneten Coach als SparringPartner zu suchen. Stichwort: Die Einsamkeit an der Spitze.) Resilienz kann u.a. im ersten Entwurf so beschrieben werden: zwischen Widerstand und Anpassung die Balance zu suchen und herstellen zu können. Klingt einfach ist aber ein sehr komplexer Vorgang – sofern es überhaupt gelingt. Wie sagt der Nobelpreisträger Daniel Kahneman: Mangelnde Selbstregulation ist die gravierendste gesellschaftliche Krankheit unserer Zeit. – Von Selbstführung ist also die Rede – denn wenn sie dabei Schwierigkeiten haben, wie wollen sie dann andere führen oder Vorbild sein…und damit sind wir mitten drin in den Fragen zur Resilienz.
Das Buch von Karsten Drath hat 460 Seiten und wirkt auf mich wie eine sehr umfangreiche Materialsammlung, eine Kompetenzformulierung zum Thema Resilienz. Inhalt: Von den Pionieren der Resilienzforschung zu Viktor Frankl`s Logotherapie, also die Frage nach dem Sinn, eine Bestandsaufnahme woran Executives scheitern: Narzissten, Idealisten, Emotionen, Exzentrik, Psychopathen, Beispiele…zu Resilienz und Persönlichkeit, Löwenzahn und Orchideen Typen, Biografiearbeit und Resilienzfeld, Neurobiologie und Hirnforschung, Lebenswandel bis Resilienzgefährdung, Schutz- und Risikofaktoren, ResilienzförderungsProgramm amerikanischer Soldaten (CSF: Comprehensive Soldier and Family Fitness), Verbesserung des Resilienzfelds bis zu resilienzorientierte Führung. Incl. E-Book und Arbeitsmaterialien. – Die Frage taucht auf: wie soll ein Unternehmen diese Fülle an Notwendigkeiten und Informationen verarbeiten? Klar wird auf jeden Fall: wollen Sie resilient sein, brauchen Sie eine KulturTransformation.
Die Essenz: für mich wichtig – zuerst alles Material studieren, was mit der Arbeit an der inneren Haltung zu tun hat. (Anm. an dieser Stelle: Search insight yourself heißt das Glückstraining von Google – jeder Mitarbeiter darf das durchlaufen. – Die genossenschaftliche Spardabank hat allen Mitarbeitern ein Achtsamkeitstraining ermöglicht – um auf diese Weise die Unternehmenskultur zu verbessern.Da gibt es also viele Möglichkeiten.)
Resilienz denken. 2te Annäherung
„Wenn man all die Chancen, die andere gehabt haben, nicht gehabt hat…möchte man stärker sein als sie.“ Frank Sinatra
War Pipi Langstrumpf ein resilientes Kind? Aber klar. Die Mutter starb früh, der Vater war als Pirat viel unterwegs. – Um solche Filme zu sehen, bin ich vor 50 Jahren ins Kino gegangen.
Das Buch von Margherita Zander in einem Satz, einer Frage: Welche Schlussfolgerungen sind aus den Erkenntnissen der Resilienzforschung für den gesellschaftlichen Umgang mit Kinderarmut zu ziehen?
Es geht hier bestimmt nicht um blinden EntwicklungsförderungsOptimismus, sondern um Orientierungshilfe für die Entwicklung von Präventionskonzepten. Oder wussten Sie, dass allein in NRW 700.000 Kinder unter der Armutsgrenze leben? Durch den Zuzug von Flüchtlingsfamilien wird die Zahl nach oben gehen. Hier kommt also das Sozial-Raum-Problem auf kommunaler Ebene richtig an (Frühförderung, Familienhilfe, Kinderhorte, Schulen). Bevor das Resilienz-Thema im Unternehmen ankommt, sitzt es bereits im Kindergarten und hat das Recht auf kluge Antworten. Die psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern wurde in der bekannten Kauai-Studie von Emmy Werner und Ruth Smith (untersuchte Geburtenkohorte von 698 Kindern, alle 1955 geboren) wahrscheinlich zum ersten Mal untersucht. Mehr als die Hälfte der Kinder wuchs in chronischer Armut auf und wider Erwarten hat sich ein Drittel davon resilient entwickelt: dh keine schulischen Leistungsprobleme, keine Verhaltensauffälligkeiten, sie kamen in ihren Familien und im sozialen Leben gut zurecht und waren realistisch in ihrem Lebenszielen und Erwartungen.
Aber warum? Die Antwort vermutete man in einer Wechselwirkung von Risiko- und Schutzfaktoren. Bewältigungsmuster, unterstützende Ressourcen und Schlüsselfaktoren für die Herausbildung von Resilienz machen den spezifischen gesellschaftlichen Kontext der Hawaii-Insel mit ihrer multiethnischen Immigrantenpopulation deutlich: Mehrgenerationenfamilien, Beziehungsnetze im Gemeinwesen über mehrere Generationen – etwas, das in individualisierten Gesellschaften heute kaum noch vorhanden ist. Stattdessen haben wir den Glauben an die Verantwortung sozialer Institutionen entwickelt und die persönliche Verantwortung für einander delegiert.
Eine Resilienzperspektive einnehmen bedeutet hier, Kinder vor allem in ihren Stärken wahrzunehmen, die den widrigsten Umständen zum Trotz in ihnen stecken. Hier bedeutet der Begriff Resilienz psychische Widerstandsfähigkeit. Wie wäre es mit Widerborstigkeit…fragt Frau Zander auf Seite 216 im Nachwort. Dabei denkt sie an das Märchen Borstenkind. Da geht es ganz bestimmt nicht um das Glatte, das Angepasste…(oder das mit Ritalin gefügig gemachte Kind).
Resilienz denken. 3te Annäherung.
Das Motto der Frankfurter Buchmesse 2015 lautete: Tolereanz durch Literatur. ( Können Sie sich noch an das Buch Die verbrannten Dichter von Jürgen Serke erinnern, 1977 erschienen? – Jedem Jugendlichen von heute möchte ich das gerne in die Hand geben. )
Tja, dann. – Franz Kafka hat gesagt: Ein Buch muss die Axt sein, für das Gefrorene Meer in uns. – Wow.
Deshalb gestatte deinen Vorstellungen nicht, der Lösung deiner Probleme im Weg zu stehen…
Etwas Etymologie. Das Wort Salaam (arab.) – Shalom (hebrä.) – Shlama (aramäi.) …bedeutet mehr als einfach nur „Hallo“.
Wenn zB ein Sufi das Wort Salaam benutzt, meint seine Seele damit: Weißt du noch, es gab eine Zeit, als niemand von uns hier war. Was bedeuten im größeren Plan der Dinge schon unsere Probleme, Konflikte und die Verletzungen, die wir verursacht haben? …Salaam heißt Friede, Friede sei mit dir, mit uns.
Darum geht es im Buch Ascheperlen. Seit 20 Jahren findet in Auschwitz Birkenau ein besonderes Retreat statt. Meistens nehmen Menschen aus ca 20 Nationen daran teil. Im Vorwort steht:
„Die Verdienste der Praxis, dieses Buch zu schaffen, widmen wir…allen in Raum und Zeit, die unter der Shoah, in Kriegen und Völkermorden einschließlich aller Arten von Militäreinsätzen, unter organisiertem oder spontanem Hass und der Intoleranz gegenüber „Anderssein“, kultureller oder sozialer Zugehörigkeit, Geschlecht, Bildung oder ökonomischer Stufung gelitten und/oder dadurch ihr Leben verloren haben.“
80 Menschen in diesem Buch haben sich im Zeitraum von 20 Jahren diesem Ort Auschwitz genähert, sich ihm ausgesetzt und darüber in unterschiedlichster Form geschrieben. Zeugnis ablegen, Nicht-Wissen, tiefes Zuhören, von Herzen sprechen, Council – um einige Grundlagen der Praxis zu nennen – führen Menschen an den Punkt, sich intensiver als vielen vorher bewusst war mit der Frage des Fremd seins, Anders seins konfrontiert zu sehen. An einem Ort, der Menschen alles nahm.
Für mich, der ich an diesem Retreat letztes Jahr teilnahm, machen die sehr persönlichen Geschichten deutlich, was epistemische Resilienz bedeuten kann. Ich definiere epistemisch jetzt mal im Foucault`schen Sinne: die Möglichkeit von „Wissen“ in einer speziellen Zeit. Das dies aber auch für Gefühle gelten kann, ist mir in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Denn gerade diese Ebene ist wesentlich im Council. – Ich musste während des Retreats sehr stark an das Buch Die verbrannten Dichter denken. Ich habe es als junger Mann verschlungen, ich wollte alles über diese Zeit wissen – und hatte u.a. internationalen Widerstand gegen das Nazi-Regime als Examensthema in Geschichte. Paßt.
Zum Schluss.
Ich will mit der Kurzbesprechung dieser drei Bücher verdeutlichen, dass Resilienz ein komplexes, sehr vielfältiges Thema ist, dass für seine Erkundung eine bestimmte Reife braucht. Die Zeit ist deutlich angefüllt mit Hinweisen, dass Methoden oft zu kurz greifen, wenn eine mitfühlende Haltung fehlt. Die zu entwickeln braucht es Raum, Zeit, Mittel und viele ÜbungsMöglichkeiten. Wenn Sie wirklich weiterkommen wollen, suchen Sie sich Begleiter, die ein geistiges integrales Modell verkörpern, indem Ihr Wachstumspotential genug Raum zum atmen hat. Denn wie wußte bereits LaoTse ( 6.Jhd. vor Chr.): führe andere so, dass sie am Ende voller Stolz sagen, wir haben es selbst gemacht. Das ist für uns Potentialentfaltung.
Eine 4te Annäherung an Resilienz denken wird sich mit Transition Town und der Sicht von Rob Hopkins beschäftigen.