Diesen Artikel habe ich vor vier Jahren bereits geschrieben. Er hat von seiner Aktualität – gerade in Zeiten der Dauerkrise – nichts verloren:
Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, was fortschrittliche, ehrgeizige und gutausgebildete WissensarbeiterInnen von Deutschland halten? Wie sie sich ihre Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft ausrechnen? Nein? Sollten Sie aber. Besonders, wenn Sie Entscheider in Unternehmen und Kommunen sind.
Kreativität macht mobil
Kreative, schöpferische, intelligente Menschen sind höchst mobil, räumlich wie geistig. Und dank modernster Kommunikationsmöglichkeiten international vernetzt. Durch die Globalisierung umrundet nicht nur finanzielles, sondern auch geitiges Kapital die Welt – auf der Suche nach den besten Lebensorten und Arbeitsbedingungen. Wer heute mit dem Kopf arbeitet, muss sein Umfeld genau kennen.
Politiker wie Regionalmanager sollten aufmerksam zuhören, was die wirklichen Bedürfnisse und Ansprüche der kreativen, wertschöpfenden Kopfarbeiter-Klasse sind. Koffer werden heute schneller gepackt als noch vor Jahren, besonders wenn es über längere Zeit in unserem Land nicht so läuft, wie es zum Bleiben nötig wäre. In diesem Punkt schrillen in vielen Ländern und Regionen bereits die Alarmglocken. Vieles wurde verschlafen, ignoriert, auf später verschoben oder im Dschungel der Zuständigkeiten verschleppt. Das gilt besonders für die Themen Bildung, Integration und Zuwanderung.
Im Augenblick werden mit großer Geste Versäumnisse der Regierung in dieser Frage eingeräumt. Gut.
Doch das Problem, über das Sie hier lesen, heißt Brain Drain – Abfluss geistigen Kapitals. Angeblich stellen jedes Jahr bis zu 100.000 Menschen beim Auswärtigen Amt einen Antrag auf Ausreise. Darunter sind auch die zur Zeit bestqualifiziertesten WissensarbeiterInnen Deutschlands. Signale für eine weltweite Aufbruchstimmung.
Deutschland vor dem mentalen Sprung
Analysen dieses Phänomens besagen, dass Deutschland den mentalen Sprung aus dem Industrie- und Produktionszeitalter in die Ära des Wissens- und Informationsmanagements noch nicht wirklich gewagt hat (Unsere Projekterfahrungen bestätigen das zu einem guten Teil.). Für die notwendigen Debatten zur Aufklärung der Gründe und Hindernisse sollten wir uns alle mehr Zeit nehmen.
Wohin zieht es eigentlich deutsche bzw. europäische Wissensarbeiter? Die USA, Asien, Osteuropa bilden die Top 3 auf der Liste der beliebten Ziele. Stimmt es, was man über die Motive hört? Die Investitionsentscheidungen multinationaler Konzerne seien daran Schuld; steuerliche Anreize von Ländern und Kommunen; Vorausgegangene, die Freunde nachziehen, die von Orten erzählen, an denen man sich wohlfühlen kann, von Menschen, die freundlich, zuvorkommend und vorausschauend mitdenken, von familiärem Wohlstand durch Arbeit und Anerkennung erbrachter – manchmal ungewöhlicher – Leistungen …
Die „drei T“
Der US-Politikwissenschaftler Richard Florida sagt, es sei von allem etwas. (brand eins, September 06 ). Doch entscheidend seien die „drei T“: Technologie, Talent und Toleranz. Wer also als Standort der Wahl für das Wissenskapital mitmischen will, sollte alle drei Faktoren vorweisen können.
Was uns dabei besonders interessiert ist die Frage der Toleranz und Offenheit, der deutschen Fähigkeit und Bereitschaft zu dieser Tugend. Haben wir dafür wirklich Talent? Haben wir genug interkulturelle Kompetenz und Empathie vorzuweisen? Steht aktive Toleranz, Umgang mit Konflikten wirklich auf der Themenliste schulischer Bildung, in Ausbildungsplänen oder universitären Curriculae? – Wir haben Nachholbedarf. Das ist sicher.
Angeblich konzentriert sich die moderne Wirtschaft in zwei Richtungen: sie wird a) zentralistischer und konzentriert sich b) an neuen Standorten.
Open Mind – Open Heart
Das wäre die Chance, die Perspektive regionaler Wirtschaftförderung grundsätzlich um den Faktor G – Gastfreundschaft – zu erweitern, denn das ist praktizierte Ethik. Eine spezielle Einladung mit hoher Anziehungskraft auf begehrte WissensarbeiterInnen, seien sie aus dem eigenen Land oder aus anderen Nationen. Heißen Sie sie willkommen, denn der Kampf um die besten Köpfe wird laut Untersuchungen zwischen Regionen und nicht zwischen Nationen ausgetragen.
Das Bildungsnieveau einer Generation soll der beste Indikator für nachhaltiges Wirtschaftswachstum sein. Das heißt besonders, dass es wenig nützt, nur die „Eliten“ besser zu qualifizieren, wenn darunter Millionen schlechtausgebildeter Industriearbeiter in den vernachlässigten Regionen ihr Dasein fristen und versorgt werden müssen. (Nur zu Ihrer Information: Irland verzeichnete zwischen 1995 und 2002 jährlich einen Zuwachs an Wissensarbeitern von 7,6 %. Quelle: ILO, zitiert nach brand eins, Sept. 06. Und das ändert sich gerade!)
Wachstumsmärkte der Zukunft
Die Wachstumsmärkte der Zukunft liegen im Gesundheits- und Bildungsbereich, bei Ökologie und Verbraucherschutz, rund um den Sektor intelligente Dienstleistungen. Sollte es nicht gelingen, eine vernünftige Verbindung zwischen den kreativen Wissensarbeitern und anderen wirtschaftlichen Prozessen zu entwickeln, sind zukünftige gesellschaftliche Konflikte vorprogrammiert. ( Zusammenhänge verstehen – Verbindungen schaffen – Sinn stiften: das ist das Geschäft der Zukunftspioniere.)
Weltoffenheit und Toleranz
Weltoffenheit und Toleranz zieht die Kreativen an – mehr als Steuervorteile. Lebens- und Arbeitsumstände sind entscheidend. Und selbstverständlich ein gastfreundliches Klima.
Die Aufnahmebereitschaft von Zuwanderern ist der neuralgische Punkt der Wettbewerbsfreundlichkeit.
Hier liegt der entscheidende Lernbedarf, der Prüfstein für geistige Haltung und Werteorientierung im Umgang mit unterschiedlichen Kulturen, Religionen – mit Anderssein schlechthin. Wer den Wert einer internationalen Gemeinschaft begriffen hat, macht sich fit für Diversity.
Gastfreundschaft ist die Schnittstelle
Durch unsere Projekt-Recherchen wissen wir: Deutschen Regionen und Standorten mangelt es oft an der Bereitschaft, Zuwanderer mit größerer Sympathie und aus dem Geist der Notwendigkeit zu empfangen. Vielfach stehen schlicht Vorurteile dem Willen im Wege, ein Klima der Risikofreude zu verbreiten, in dem kreative Menschen sich entfalten können.
Zu dieser Qualifizierungsoffensive leisten wir mit Leidenschaft unseren Beitrag. Unsere Gebote der Gastfreundschaft sind ein Anfang. Fragen Sie uns nach unseren Ideen, Konzepten und Kompetenzen.
Auch wenn die Karawane der Wissenarbeiter stetig wächst oder weiterzieht: Wir bleiben und arbeiten zum Wohle unseres Landes.