Pflege & Sorge sind relevante Zukunftsaufgaben für ALLE
Ein paar Zahlen zu Beginn – kommt ja immer gut: 1.400.000 Rentner in Deutschland sind auf finanzielle Unterstützung im Alltag angewiesen. Das ist ein realistischer Schätzwert. Politik wird natürlich damit gemacht, dass die realen Zahlen viel niedriger sind. Und warum? Weil viele Menschen, die zum Teil den Krieg noch erlebt haben oder eine „lückenlose Erwerbsbiografie“ vorweisen konnten – oft natürlich im Niedriglohnsektor ( in Zukunft gehört für dohende Altersarmut übrigends alles dazu, was weniger als 3.000.- Euro brutto im Monat ist ) – sich ihrer Situation schämen und daher nicht in der Statistik auftauchen wollen. Es ist ja auch peinlich, sich vor einer Sachbearbeiterin, die vielleicht 30 Jahre jünger ist, nackt auszuziehen. – Sie versuchen halt irgendwie zurechtzukommen. Die Tafeln in Deutschland wissen Bescheid.
Und jetzt kommt noch die Situation der pflegenden Angehörigen, die ja sehr oft noch voll im Beruf sind, dazu. Und wir sprechen da aus eignener Erfahrung, denn wir haben unsere Eltern von <Beginn< an in der zuerst mitdenkenden Sorge, dann in der unterstützenden Pflege und in der Begleitung beim Sterben parallel zu einem prallen unternehmerischen Arbeitsalltag begleitet. ( Das Wort „organisieren“ benutze ich bewusst nicht, denn es war zu jedem Zeitpunkt von uns ein Herzenwunsch – völlig egal, ob wir am Ende unseres Lebens dadurch „sogenannte Nachteile“ irgendwelcher Art haben sollten.)
Frage: wie muss ein Umfeld gestaltet sein, dass für Menschen in diesen Doppel- und Dreifachbelastungen ein Gefühl von Lebensqualität erzeugen und erhalten kann? Und welche Aufgaben können Unternehmen als Arbeitgeber mit Fürsorgepflichten dabei übernehmen?
Natürlich sind die Lösungen für diese Probleme von Einzelnen nicht alleine zu bewältigen – Daseinsvorsorge sollte nicht mehr ein individuelles Leistungsproblem sein. Für diese gedankliche Schublade ist die wirkliche Faktenlage zu erdrücken. Trotzdem funktioniert das Rentenmodell noch so, soziale Herkunft entscheidet über die Entwicklung und Realisierung von Potentialen…und zieht sich bei den meisten Menschen wie ein roter Faden durch das Leben. Der Solidaritätsvertrag gilt unter dem Tisch als gekündigt, die Probleme werden zunehmend Individualisiert, sogenannte Kostenträger ziehen sich auf ihr Kerngeschäft zurück und verlassen sich auf die Tradition der unsichtbaren Sorge, die ja auch das Flüchtlingsproblem größtenteils gestemmt hat.
Was ist mit der Pflege von Angehörigen?
In Pflegeberichten staatlicher Kontrolle ist zu lesen, dass ca. 20 Prozent der gepflegten Menschen in Deutschland von freiheitsentziehenden Maßnahmen in der eigenen Häuslichkeit betroffen sind. Fixieren, Ruhigstellen, Einsperren, Gewalt…alles dabei, was Ängste erzeugt.- Ist Würde denken ohne Leistung möglich? – Was sagt Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. – Diesen großartigen Gedanken zu ruinieren, das haben wir in Deutschland schonmal hinbekommen.
Der Pflegebericht trifft auch Aussagen darüber, warum Pflegekräfte aus der Pflege ausscheiden, das heißt ihren Beruf aufgeben: weil es für sie nicht möglich war, das umzusetzen, was ihnen am Herzen lag: ihre Werte im Umgang mit zu pflegenden Menschen zu leben – die strukturellen Bedingungen erlauben das nicht!!( Zeitliche Vorgaben, Bürokratie, Profitstreben etc…)
Konzept der geteilten Verantwortung
Welche Ressourcen müssen aktiviert werden, damit Pflege und Sorge für Angehörige – die ja auch Arbeitnehmer sind – gut gelingen kann? Und welche Aufgaben können Unternehmen dabei übernehmen?
Dem Pflegebericht nach, findet die Kostensteuerung nicht unter Gesamtgesichtspunkten statt. Lobbyarbeit verhindert das Zusammenziehen verschiedener Logiken. Ausserdem macht es mehr Sinn von Care zu sprechen, als von Pflege, weil durch diesen Begriff die Dimension der Aufgabe deutlicher wird. Der Blick auf dieses Thema ist sowieso schon viel zu eng gehalten.
Der Care-Beitrag von Unternehmen kann aus der Unternehmenskultur kommen: es ist ein Akt erweiterter Solidarität mit den akuten Sorgen und Nöten von Mitarbeiterinnen, denn zu 85 Prozent ist Pflege ein „Frauenproblem“. Es geht jetzt nicht mehr nur um Kitas, sondern um die Gestaltung von WPGs – Wohnpflegegemeinschaften in einer Wohnung oder einem Haus in Unternehmensnähe oder gar auf dem eigenen Gelände, wo eine Tages-Entlastungs-Pflege oder Betreuung möglich wäre, damit die arbeitenden Angehörigen sich auf ihre Arbeit konzentrieren können – und nicht vor lauter Sorge im Dauerzustand der Abgelenktheit verbringen. ( Es sind Dutzende anderer Modelle denkbar.)
Und natürlich übernimmt der Arbeitgeber die Kosten dafür – oder es wird eine faire Win-Win-Lösung ausgehandelt. Nur mal so zum nachdenken geschrieben.
Das Demografieproblem rollt auf Deutschland wie eine Dampfwalze zu. Vorrausschauende Arbeitgeber fangen sofort an Szenarien zu entwickeln, wie sie mit diesem „Problem“ umgehen wollen. Good Place to work definiert sich absofort dadurch, dass Menschen sich nur da bewerben oder arbeiten wollen, wo ihnen Unterstützung auch für ihre Pflegesituation angeboten wird.
Fangen Sie an – machen Sie sich in diesen Fragen schlau und attraktiv!