Tania Singer, Direktorin der Abteilung Soziale Neurowissenschaft am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, forscht im Re-Source Projekt zu der Frage, wie Mitgefühl und Empathie kultiviert werden können.
Diese Frage ist von weitreichender Bedeutung. Noch viel mehr werden es die Antworten sein.
Ärzte, Psychotherapeuten, Krankenhauspersonal, Seelsorger, Coaches, Mediatoren – eigentlich alle, die im komplexen Feld menschlicher Gefühle besonderen Eindrücken und Belastungen ausgesetzt sind, stehen tagtäglich vor entscheidenden Fragen: Wie weit kann ich mich einlassen, ohne mich zu verlieren? Wie stark werde ich in das Resonanzfeld „des Anderen“ hineingezogen? Wie kann ich mich „schützen“ oder „abgrenzen“, ohne zu viel Distanz aufzubauen, aber auch ohne auszubrennen? Und die Statistiken sagen ganz klar, dass es bei weitem nicht allen gelingt, diese Fragen lebensfördernd zu beantworten.
Die Forschungsfrage von Frau Prof. Singer zielt auf die Unterscheidung von Empathie und Compassion – letzteres ein Begriff, der aus dem Buddhismus kommt, und der andere Grundlagen und weitreichendere soziale Konsequenzen hat als der Begriff Empathie. Aber es geht hier weniger um soziologische Begriffsanalyse, sondern um Können, um Sein, um Haltungen, die in konkreten Alltagssituationen zu trainieren und anzuwenden sind und so schließlich den hilfreich qualitativen Unterschied machen, weil die Sicht auf den anderen Menschen aus einer besondere Ethik erwächst.
Sie können sich das so vorstellen, dass durch dieses bestimmte Training Ihr Bewusstsein sich in seinen spezifischen Begrenzungen entspannter ausdehnt. Und das erleben Sie auch körperlich, denn in mitfühlender Resonanz verspüren Sie weniger Stress oder Druck, da Sie tiefer verstehen können. Da liegt die Ruhepause für das leistungsorientierte Motivationssystem, weil der Geist das ständige „ich muss noch dies, ich muss noch das“ kurzfristig in Urlaub geschickt hat. Je länger Sie in diesem Zustand verweilen können, desto länger dauert natürlich auch Ihr „Urlaub“, und desto nützlicher sind die von Ihrem Mitgefühl gesteuerten Interventionen für andere. Das ist der Sinn von Mitgefühl-Training.
Anfang der 1980er Jahre gab der besondere spirituelle Lehrer Chögyam Trungpa ein grundlegendes Buch heraus mit dem Titel: Training the Mind and Cultivating Loving-Kindness, auch bekannt als „The Seven Points of Mind-Training“.
Die Essenz: Mitgefühl und Liebe sind die Basis für Gewaltfreiheit und Glück. Unser Geist ist dazu in der Lage. Und angesichts der alarmierenden Zustände um uns her haben wir allen Grund, uns in unserer naturgegebenen Fähigkeit zu Mitgefühl und Verbundenheit zu üben. Wenn uns Coachees und Seminarteilnehmer zurückmelden, bisher selten erlebt zu haben, dass jemand ihr Problem in einer so tiefen Weise zu seiner eigenen Sache macht wie wir, ohne dabei den gesunden Abstand und Überblick zu verlieren, dann bestätigt uns das, dass unser Üben Früchte trägt.
Welche Gestalt dieses Üben und Lernen am Ende von Frau Singers Forschungen unter den Rahmenbedingungen klassischer Wissenschaft annehmen wird, darauf sind wir sehr gespannt. Und wir freuen uns auf ihre Impulse!