Letzte Tage war ich zu einem Gespräch an eine rheinland-pfälzische Fachhochschule eingeladen. Dem Vize-Präsidenten für Studium und Lehre ist es gelungen, Fördergelder aus dem Bund-Länder-Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre für ein Projekt „Innovative Lehr- und Lernformen“ zu gewinnen, und nun soll es an die Umsetzung gehen.
In dem Gespräch, das sich unter anderem um passende Workshop-Designs zur Weiterbildung der Lehrenden, die Erfolgsaussichten von erzwungenem Lernen und den Stellenwert von e-Learning in der Lehr-Innovation drehte, wurden mir noch einmal einige Erfolgsfaktoren von ZukunftsBildung und insbesondere für die Gesundung der Lernkultur an Hochschulen bewusst:
- Die isolierten Förderprogramme des Bundes bergen die Gefahr der Parzellierung von Innovation. Für unterschiedliche Themen sind unterschiedliche Führungskräfte zuständig, und oft genug wird unverbunden „nebeneinander her innoviert“ – zuletzt in Sachen Internationalisierung, Qualität und Evaluation, Interdisziplinarität. Wenn die Verantwortlichen Lehr-Innovation allerdings als integralen Teilprozess einer umfassenden Hochschulentwicklung im Selbstverständnis einer Lernenden Organisation anlegen, können die jeweils geförderten Impulse synergetische Früchte tragen. Die Frage lautet also: Tief schürfen und weit denken oder den Ball flach halten?
- Die Wettbewerbsförmigkeit der Bildungsförderung droht den qualitativen Shift von Konkurrenz zu Kooperation zu boykottieren, der – von Neurowissenschaftlern wie Joachim Bauer seit geraumer Zeit beschworen – ein Kernelement zukunftsträchtigen Lernens und Problemlösens ist. So bleibt den Hochschulen derzeit nur die Doppelstrategie: Sie ziehen gegen ihre Co-Institutionen in den Wettbewerb (und bedienen damit das teile-und-herrsche-Prinzip der Geldgeber), und setzen die Ressourcen dann, sofern sie gewinnen, weitsichtigerweise für kooperative Bildung ein – die wiederum fit machen soll für einen konkurrenzhaften Markt… Funktionieren wir tatsächlich immer noch wie der Pawlow’sche Hund?
- Bei Neuerungen im Lehr-/Lernverständnis und der entsprechenden Praxis zeigt sich (wie schon bei den Reformen der letzten Jahre, von Bologna bis Fusionen) einmal mehr, dass wir es auch mit einem Generationswechsel zu tun haben. Viele der jüngeren Forschenden, Lehrenden und HochschulmanagerInnen sind beruflich mit Team-Methoden, Projektmanagement, Coaching oder virtuellen Lern- und Kommunikationswelten aufgewachsen. Zahlreiche (Dienst-)Ältere dagegen, der Schwemme von mehr oder weniger ergiebigen Reformen müde, die sie nach eher beschaulichen Jahrzehnten seit den 1990er Jahren in mehreren Wellen überspült hat, praktizieren im Stillen (oder auch lautstark) eine „Nach mir die Sintflut“-Haltung und setzen auf Bestandssicherung bis zu ihrer Pension. Nachvollziehbar, gerade angesichts häufig fehlgeleiteten und Steuergelder versenkenden Reform-Hypes – doch nicht hilfreich für Besserung. Dabei korrelieren die Haltungen zum staatlich verordneten Wandel zwar mehrheitlich, doch beileibe nicht ausschließlich mit dem biologischen Alter.
- Erfolgsentscheidend für Projekte zur Steigerung der Lehrexzellenz erscheint mir jedoch ein „Schalter im Kopf“, den immer mehr mit Verve umlegen, aber noch zu wenige überhaupt gefunden haben: Können wir das Selbstbild des Lehrenden – der (Besser-)Wissenden und Kanon-Verkünderin, des Fakten referierenden Vorne-Stehers – aufgeben zugunsten der Haltung des Co-Lernens, einer Mentorin und Begleiterin, des Unterstützers und Ermöglichers, zugunsten einer Lern-Partnerschaft mit intelligenten, neugierigen, verantwortungsvollen und potentiell unternehmerischen Persönlichkeiten (die wir heute noch StudentInnen nennen)? Das wäre nicht weniger als die bewusste Destruktion eines alten und das Aufbauen eines neuen Selbstverständnisses – das Auswechseln dessen, was Peter Senge ein Mentales Modell nennt. Die Bereitschaft dazu ist eine der zentralen Voraussetzungen für wirklich innovatives Lehren und Lernen. Action Learning ist eine der Lehr-Lern-Methoden, die das fördert.